Ein weitverbreiteter Irrtum im Arbeitsrecht ist die Annahme, dass Arbeitnehmer:innen bei einer Kündigung automatisch einen Anspruch auf eine Abfindung haben. Tatsächlich sieht das deutsche Recht keinen generellen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung vor. Eine Abfindung wird nur unter bestimmten Voraussetzungen gezahlt – etwa wenn sie im Arbeits- oder Tarifvertrag, in einem Sozialplan, durch einen gerichtlichen Vergleich oder im Rahmen einer einvernehmlichen Regelung im Aufhebungsvertrag ausdrücklich vereinbart wurde.
In einigen Fällen ergibt sich ein indirekter Anspruch auf Abfindung aus § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dieser Paragraph greift bei betriebsbedingten Kündigungen, wenn der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben klar erklärt, dass die Kündigung auf betriebliche Gründe gestützt wird und Sie im Gegenzug auf eine Kündigungsschutzklage verzichten. In diesem Fall haben Sie Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr – vorausgesetzt, Sie akzeptieren die Kündigung und erheben keine Klage.
Eine Abfindung kann außerdem im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht ausgehandelt werden. In der Praxis einigen sich viele Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung, insbesondere dann, wenn die Wirksamkeit der Kündigung rechtlich umstritten ist. Das Ziel einer solchen Einigung ist es, einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden.
Auch Sozialpläne in größeren Unternehmen, etwa im Zuge von Umstrukturierungen oder Massenentlassungen, können eine Abfindungsregelung enthalten. Diese orientiert sich meist an Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten.
Wichtig zu wissen: Ein etwaiger Abfindungsanspruch ist nicht mit einer Entschädigung gleichzusetzen und unterliegt in der Regel der vollen Steuerpflicht – allerdings kann die sogenannte Fünftelregelung (§ 34 EStG) für steuerliche Entlastung sorgen, wenn die Abfindung außerordentlich und in einem Jahr ausgezahlt wird.
Ein Beispiel: Sie erhalten eine betriebsbedingte Kündigung nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit und entscheiden sich gegen eine Klage. Ihr Arbeitgeber bietet Ihnen eine Abfindung nach § 1a KSchG an – das wären 5 Monatsgehälter. Alternativ könnten Sie auch Klage einreichen und in einem gerichtlichen Vergleich möglicherweise eine höhere Summe verhandeln – allerdings mit dem Risiko, dass Sie vor Gericht unterliegen.
Fazit: Einen automatischen Anspruch auf Abfindung gibt es nicht. In vielen Fällen lohnt es sich jedoch, die rechtlichen Möglichkeiten sorgfältig prüfen zu lassen – insbesondere, wenn Sie gekündigt wurden oder Ihnen ein Aufhebungsvertrag angeboten wird. Gerne berate ich Sie dazu eingehend, ob Sie in Ihrer konkreten Situation Aussicht auf eine Abfindung haben und wie diese rechtlich optimal gesichert werden kann.